Ende 2015 beschloss Ana Alves, eines ihrer Tattoos zu entfernen: eine rote Rose mit grünen und gelben Blättern auf einem schwarzen Tribal-Muster, die sich auf halber Höhe ihres linken Oberschenkels befand. Nachdem sie sich über Möglichkeiten zur Tattooentfernung informiert hatte, entschied sie sich für SpaMedica, eine Klinik für plastische Chirurgie und Spa in Torontos Stadtteil Yorkville. Im Wartezimmer steht eine plüschige Sitzbank, die zu einem Mahagoni-Schreibtisch führt, an dem gut gekleidete Empfangsdamen sitzen. In einer Ecke steht eine kleine Statue, und aus einem Lautsprecher ertönt das beruhigende Gurgeln eines Bachs. Es ist fast so friedlich, dass die Patienten vergessen, dass ihnen gleich Laserstrahlen ins Fleisch geschossen werden.
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Dies ist Alves‘ dritte Behandlung bei SpaMedica. Was einst ihr Tattoo war, ist jetzt ein Wirbel aus unscharfen Punkten, etwas deutlicher als ein bunter Bluterguss. Nadia Hammoud, eine ausgebildete Krankenschwester, injiziert zunächst mit einer kleinen dreizackigen Nadel Lidocain in die tätowierte Stelle. Sobald die Stelle taub ist, zeichnet Hammoud mit einem Laser die Umrisse des Tattoos nach. Das Geräusch des Lasers, der auf die Haut trifft, ist ein gedämpftes, schnelles Klicken, nicht unähnlich dem synkopierten Rhythmus einer Nähmaschine. Die gesamte Prozedur ist in zwanzig Minuten vorbei.
Ein Tattoo entsteht, indem Pigment in die Dermis, die zweite Schicht des Hautgewebes, injiziert wird. Das Pigment bleibt konzentriert, auch wenn sich die Epidermis während der Heilung ablöst. Bei der Tattooentfernung mit Laser verwendet der Operateur einen Laserstrahl, um die Tintenpartikel unter der Haut aufzubrechen. Diese Partikel zerfallen dann in den Wochen zwischen den Entfernungssitzungen auf natürliche Weise.
Bei der Tattooentfernung per Laser besteht für Patienten das Risiko einer Hyperpigmentierung (Dunkelfärbung der Haut). Außerdem kann es zu Narbenbildung oder schweren Verbrennungen kommen. Die Praxis wird weder von der Regierung noch von einem Berufsverband reguliert und es gibt keine Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit einer Klinik zu überprüfen. Health Canada entscheidet, welche Geräte zur Laserentfernung verkauft werden dürfen, und Schulungskurse sind im Kaufpreis inbegriffen. Die einzige gesetzliche Voraussetzung für den Betrieb von Lasern gegen Geld ist jedoch eine Gewerbeerlaubnis.
2014 meldeten sich 18 Frauen und behaupteten, sie hätten bei einer Behandlung mit „revolutionärer laserfreier Technologie“ in der Klinik Bye Bye Tattoo in der Nähe von Montreal Verbrennungen zweiten Grades erlitten. Die Frauen blieben mit dauerhaft erhabenem Narbengewebe zurück – in einigen Fällen mit einem exakten Abdruck des Tattoos, das die Kundin entfernen lassen wollte. Die Klinik meldete Konkurs an, doch Anfang 2015 stellte das Quebec College of Physicians eine Arbeitsgruppe zusammen, um die Branche der ästhetischen Medizin zu untersuchen, zu der auch kosmetische Injektionen und Laser-Haarentfernung gehören. Im September 2016 war Quebec die erste Provinz, die Regulierungsempfehlungen für die Branche entwickelte.
„Es ist überraschend, dass es derzeit in Kanada weder für das Tätowieren noch für das Entfernen von Tätowierungen gesetzliche Vorschriften gibt“, sagt Dr. Yves Robert, Sekretär des Quebec College of Physicians. „Das Entfernen von Tätowierungen sollte kein größeres Problem darstellen als das, das es löst.“
Mehr als sieben Millionen Kanadier haben mindestens ein Tattoo, wie aus Daten der Canadian Dermatology Association aus dem Jahr 2013 hervorgeht. Weder Health Canada noch Statistics Canada erfassen nicht-chirurgische Schönheitsoperationen, die schwer zu definierende Kategorie, in die Tätowierungen normalerweise fallen. Doch das Marktforschungsunternehmen IBISWorld schätzt, dass es sich in den USA um eine 76-Millionen-Dollar-Industrie handelt, die im letzten Jahrzehnt um fast 500 Prozent gewachsen ist. Und gebrauchte Lasergeräte kann man auf eBay oder Craigslist für nur 75 Dollar kaufen.
Stephanie Gorchynski begann vor sechs Jahren damit, ihre Tattoos entfernen zu lassen. Sie hat immer noch die Überreste von „gruseligen Engeln“ auf ihrem Rücken und Vögel auf ihrem Handgelenk. Als sie Anfang der 2000er Jahre an der Universität war, ließ sie sich ein kleines Tattoo auf dem Rücken stechen. Ein paar Jahre später beschloss sie, es entfernen zu lassen und ging in eine Klinik für plastische Chirurgie in Toronto, die ihr von einem Tätowierer empfohlen worden war. Damals wusste sie nicht, dass bei der Entfernung normalerweise schmerzstillende Salben oder Lidocain verabreicht werden; die Klinik gab ihr nur einen Stab zum Beißen, bevor sie die Laser einsetzten. Es war entsetzlich. „Sie sollen keine Hautschichten aufreißen. Ich hatte schlimme Blasen auf meinem Rücken“, sagt sie.
Gorchynski versuchte es dann in einer Klinik, die auf Tattooentfernung spezialisiert war. Sie verabreichten ihr zwar eine betäubende Creme, aber die Schmerzen waren so stark, dass sie einen Stressball zerbrach und den Tisch so fest umklammerte, dass ihre Nägel darin stecken blieben. Aber auch nach dieser Behandlung zeigten ihre Tattoos kaum Anzeichen des Verblassens. Sie hatte fast aufgegeben, als sie an Shane Bolton verwiesen wurde. Bolton, der Inhaber von Fading Fast Tattoo Removal in Toronto, arbeitete jahrelang als Tattoo-Künstler, aber der Markt wurde immer überfüllter, also beschloss er, sich auf die Entfernung zu konzentrieren. Er fand den Laser-Trainingskurs, der mit seiner Ausrüstung angeboten wurde, enttäuschend theoretisch, also beschloss er, an seinen eigenen Tattoos zu üben.
Bolton experimentierte mit Einstellungen und Bewegungen und suchte nach den am wenigsten schmerzhaften und effektivsten Techniken. „Es war ein enormer Lernprozess“, sagt er. Er ließ sogar seine Frau versuchen, ein Tattoo von seinem Bein zu entfernen. „Manche Leute denken, ich bin ein bisschen daneben. Aber wenn ich nicht weiß, wie es sich anfühlt, wie kann ich es dann jemand anderem zufügen?“ Sein Betrieb wuchs und er stellte schließlich einen Lehrling ein. Boltons Ansicht nach wäre es übertrieben, eine formelle medizinische Ausbildung vorzuschreiben, aber er ist der Meinung, dass die Branche zumindest Lehrlingsausbildungen vorschreiben sollte.
Am 21. September 2016 veröffentlichten Yves Robert und der Rest des Quebec College of Physicians einen Bericht mit vierzehn Empfehlungen zur Regulierung der ästhetischen Medizin. Darunter: Nur ein qualifizierter Mediziner sollte Laserbehandlungen für alle Eingriffe außer Haarentfernung durchführen. Bestimmte Mediziner – diejenigen, die keine plastischen Chirurgen, Augenärzte oder Dermatologen sind – sollten dem Ministerium einen detaillierten Ausbildungsplan vorlegen und praktische Kurse absolvieren, um sicherzustellen, dass sie Nebenwirkungen verhindern und behandeln können. Und Kosmetiker ohne medizinischen Hintergrund sollten nicht länger Laser bedienen dürfen.
Die Empfehlungen werden Gesetz, wenn ein Ministerium – sei es das Gesundheits- oder das Justizministerium – sie billigt. Das College traf sich im Oktober mit dem Gesundheitsminister von Quebec, Gaétan Barrette, um diesen Genehmigungsprozess einzuleiten. Die Canadian Dermatology Association unterstützt den Schritt hin zu stärkerer Regulierung. Ihr ehemaliger Präsident, David Zloty, sagte, sie sei für die öffentliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung. Und da Quebec nun seine eigenen Empfehlungen ausgearbeitet hat, haben andere Provinzen einen Rahmen, an dem sie sich orientieren können, wenn sie versuchen, gegen die unsichere Verwendung von Lasern zur Tattooentfernung vorzugehen.
Zurück bei SpaMedica hat sich auf der Oberfläche von Alves‘ Tattoo eine harte, kalkige Schicht gebildet, die als „Frosting“ bezeichnet wird. Das ist gut, sagt Hammoud, denn es bedeutet, dass die Haut auf die Laserbehandlung reagiert. In sechs Wochen kommt Alves zu ihrer nächsten Sitzung. Sie möchte ihr Tattoo nicht ganz loswerden. Sie möchte nur, dass es so weit verblasst, dass sie sich ein neues Tattoo stechen lassen kann – eines, das sie für immer behalten möchte.
Dies erschien in der Märzausgabe 2017.
Maija Kappler
Maija Kappler ist eine Autorin und Redakteurin aus Montreal, die jetzt in Toronto lebt. Ihr Name wird „Mya“ ausgesprochen.
Christina Ung ist eine Künstlerin, die das neue Verpackungsdesign für Twizzlers entworfen hat.
