trans*scribe-Illustration © Rosa Middleton, 2013
Wie viele Kinder der 80er und 90er Jahre, die das „Privileg“ hatten, als Junge geboren zu werden, war, bin und werde ich immer ein Gamer sein. Schon in jungen Jahren liebte ich es, einen Blick in die Welten von Mario , Mega Man und Sonic the Hedgehog zu werfen. Videospiele waren meine Flucht vor der Realität, dass ich nur ein dicker, sozial unbeholfener kleiner Junge war, der dazu verdammt war, ständig von seinem Bruder zu Hause und seinen Klassenkameraden in der Schule verspottet zu werden.
Andere Leute nahmen mich als anders wahr. Ich wusste, dass auch etwas an mir anders war, konnte aber nicht genau sagen, was es war. Die reale Welt mied mich aus irgendeinem Grund, weshalb ich einen Controller in der Hand brauchte, um mich auch nur annähernd normal zu fühlen. Die übliche Annahme meiner Klassenkameraden war, dass ich schwul sein musste. In ihren Augen musste ich mich zu Männern hingezogen fühlen, wenn ich nicht genau wie sie war. Eine Zeit lang nahm ich einfach an, dass sie recht hatten. Meine geheimen Fantasien, in denen ich genauso war wie eines der Mädchen in der Schule, mussten der Beweis gewesen sein. Mädchen fühlen sich zu Jungen hingezogen, oder?
Diese Fantasien zu haben – in eine andere Welt vorzudringen, so wie ich es in einem Videospiel tun würde – muss doch mein Verlangen nach Jungen bewiesen haben, oder? Als ich ein Kind war, gab es nicht viele Videospiele, in denen man weibliche Charaktere spielen konnte. Super Mario Bros. 2 (zumindest die US-Version) war eine der wenigen Ausnahmen. Ich gab jedem auswählbaren Charakter eine Chance, aber mein Favorit war immer Prinzessin Peach. War es seltsam, dass ein kleiner Junge es genoss, eine Prinzessin zu sein? Vielleicht. Aber dabei blieb es noch lange nicht.
Natürlich hatte ich Freunde – ich war nicht in jedem sozialen Umfeld eine Außenseiterin. Sie mochten auch Videospiele, aber ich war viel aufgeregter als sie, dass man in Pokémon Crystal Edition eine weibliche Figur spielen konnte. Ich konnte nicht verstehen, warum es meinen anderen männlichen Freunden egal war. Warum fand ich es so cool, dass Samus Aran aus Metroid eine Frau war?
Als ich anfing , Ragnarok Online zu spielen, wollte ich unbedingt eine weibliche Figur erschaffen. Es machte mir einfach viel mehr Spaß, als Mädchen zu spielen als als Junge. Ich konnte jederzeit ein Junge sein, aber in einer virtuellen Welt hatte ich die Freiheit, jemand anderes zu sein. Ich konnte mich anders verhalten und alles aus einer anderen Perspektive sehen – einer Perspektive, die mir viel klarer erschien. Insbesondere in Ragnarok – da es ein Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (MMORPG) war – konnte ich die Rolle eines frechen Mädchens übernehmen und auf eine Weise mit anderen interagieren, die sich natürlicher anfühlte.
Andere fragten, warum ich so darauf erpicht war, eine Frau zu spielen. Ich war schließlich ein Mann, also hätte ich es in einem Spiel nicht vorziehen sollen, ein Mann zu sein? Vielleicht ein männlicher Held? Da ich nicht in der Lage war (oder eher Angst hatte), die wahre Antwort zu geben, sagte ich ihnen einfach, dass ich es vorzog, stundenlang ein Mädchen auf dem Bildschirm anzuschauen, anstatt einen Kerl. Hierin liegt nun eine Diskrepanz. Andere Leute nahmen an, dass ich schwul sei, und eine Zeit lang dachte ich das auch. Wenn ich Männer wirklich mochte, wäre meine Entschuldigung dafür, als Frau zu spielen, eine offensichtliche Lüge gewesen. Ein schwuler Mann in einer ähnlichen Position würde vermutlich als Frau spielen, um im Spiel besser mit Männern interagieren zu können.
Aber ich habe nicht gelogen. Ich wollte wirklich lieber ein hübsches Mädchen auf meinem Bildschirm haben. Aber das bedeutete, dass ich heterosexuell war, oder? War ich also wirklich „normal“? Die meisten Gerüchte, dass ich schwul sei, kamen in der Mittelschule auf. In der Highschool hörten sie größtenteils auf – ebenso wie meine eigene Überzeugung, dass ich ein schwuler Mann war. Der Gedanke, schwul zu sein, kam mir so selbstverständlich vor, dass ich ihn eigentlich langweilig fand. Die Wahrheit war, dass mich Frauen einfach viel mehr interessierten.
Die Vorstellung, als Mann in einem Spiel zu spielen, in dem ich meinen eigenen Charakter erstellen konnte, langweilte mich. Mit der Zeit begann mich auch die Vorstellung zu langweilen, im wirklichen Leben ein Mann zu sein. Tatsächlich widerte mich die Vorstellung an, ein Mann mittleren Alters zu werden. Aber ich fühlte mich zu Frauen hingezogen, nicht zu Männern, und nur ein extrem schwuler Mann würde jemals eine Frau werden, oder? Das war, was ich und alle anderen glaubten.
Ich musste die Wahrheit wissen, aber meine Eltern waren nicht begeistert von der Idee, in der Highschool zu daten, also musste ich eine Weile warten. Mein erstes Date fand erst bei meinem Abschlussball statt und jede Chance, dass es normal verlaufen würde, wurde zerstört, als ich herausfand, dass sie einen Freund hatte.
Während meiner College-Jahre habe ich mich so sehr nach einer Freundin gesehnt, dass viele Frauen mich ein bisschen unheimlich fanden. Dass ich pummelig und behaart war, hat auch nicht geholfen. Ich dachte, es sei normal, dass jeder Mann angewidert ist von der Tatsache, dass er so dickes Haar und einen permanenten Bartstoppeln hat, der sogar nach der Rasur noch deutlich zu sehen ist. Mir war nicht klar, dass ich die Ausnahme war. Ich hatte einige Freundinnen, aber die gingen oft zu ihren Mädelsabenden aus, was bedeutete, dass ich auf der Strecke blieb.
Ich war ein Computerfreak, und mir gefiel die Vorstellung nicht, in Bars und Nachtclubs wahllos Frauen anzumachen. Ich zog eine Reihe von Super Smash Bros. Brawl -Matches dem Ausgehen und Betrinken vor (wie immer als Prinzessin Peach). Vielleicht wurde ich deshalb mit all den Beta-Männern in einen Topf geworfen, die einfach nur Sex wollten, aber nichts von dem hatten, was das durchschnittliche heterosexuelle Mädchen wollte. Aber ich war anders als sie. Natürlich sehnte ich mich nach Sex, aber ich musste auch etwas herausfinden. Ich verbrachte sieben Jahre damit, die Wahrheit herauszufinden, wurde aber am Ende nur enttäuscht. Natürlich war ich in Videospielen mit Dating-Elementen wie Persona 4 extrem gut, aber virtuelles und echtes Dating sind zwei sehr verschiedene Dinge. Ich konnte es meistern, als jemand anderes zu spielen, aber wie das alte Klischee in Dating-Ratschlägen oft sagt: Ich musste ich selbst sein.
Nachdem ich meine Haare wachsen ließ und alle Versuche aufgab, wie andere Männer zu sein, geschah es schließlich. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt meinen Masterabschluss und unterrichtete nun meinen ersten Kurs auf College-Niveau. Meine Rettung kam von einer süßen, ruhigen bisexuellen Studentin im dritten Studienjahr (nicht, wie ich erwähnen sollte, in meinem Kurs eingeschrieben), die zugab, dass sie ein Auge auf mich geworfen hatte. Endlich hatte ich die Chance herauszufinden, wer ich war.
Meine Zeit mit ihr war großartig, aber irgendetwas stimmte nicht. Wünschte ich mir, sie wäre ein Mann? Nicht im Geringsten. Ich war zufrieden damit, sie als meine Freundin zu haben, aber als ihr Freund fühlte ich mich nicht wohl. Insgeheim wusste ich, warum, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass eine Transgender-Person auch lesbisch sein konnte. Es widersprach allem, was ich zu wissen glaubte. Ich beschloss, die Beziehung durchzuhalten, in der Hoffnung, dass meine Transgender-Gefühle verschwinden würden. Das taten sie nicht. Sie stellte in Frage, ob wir wirklich gut zueinander passten und ob sie die Beziehung zu schnell begonnen hatte, und machte schließlich mit mir Schluss.
Ich musste etwas tun, um nicht weiter zu altern und zu jemandem zu werden, der ich eindeutig nicht war. Ich recherchierte und fand eine Reihe von Quellen – darunter Artikel von Annika von Autostraddle – die bestätigten, was ich die ganze Zeit vermutet hatte. Ich recherchierte weiter und fand im Laufe der Monate einen Therapeuten, gefolgt von einem Laser-Haarentfernungsservice, einer Fruchtbarkeitsklinik zur Kryokonservierung möglicher zukünftiger Kinder und einer preiswerten Klinik, die kein Problem damit hatte, Hormone zu verschreiben. Am 12. Februar 2013, meinem 26. Geburtstag, hatte ich sie endlich in der Hand: diese Tablettenflasche mit 30 niedrig dosierten Estradiol-Tabletten.
Ich habe es einer ganzen Reihe meiner Freunde erzählt, darunter meinen Mitbewohnern, meinen Eltern und meinem Ex. Fast alle haben es völlig cool gefunden. Meine Mutter besteht darauf, dass sie nichts Weibliches an mir sieht und sagt, dass sie mich nur als ihren kleinen Jungen betrachten kann. Sie sagt aber auch, dass sie mich unterstützen wird, egal welchen Weg ich im Leben einschlage. Mein Coming-out war nicht einfach, aber ich bin so froh, dass ich selbst in einem Südstaat wie Florida von so tollen Menschen umgeben bin, die mich unterstützen, egal, welche Geschlechtsidentität oder Sexualität ich habe. Ich habe mich allerdings noch nicht vor allen geoutet, also möchte ich noch keine Bilder von mir posten, aber das Mindeste, was ich tun kann, ist zu zeigen, dass ich als Gamerin und Geek auch als Frau einen gewissen Stil habe.
Mit der Zeit wird Matthew, der immer nur ein Avatar war, den ich aufgrund meiner Genetik spielen musste, der Vergangenheit angehören und Monica wird ihn vollständig ersetzen. Es hat so lange gedauert, bis ich sie in mir entdeckt habe, weil die Heteronormativität und alle damit verbundenen Annahmen über Geschlecht und Sexualität sie verborgen hielten. Wenn der Bart endlich weg ist und die Hormone ihre volle Wirkung entfalten, werde ich endlich als die Lesbe leben können, die ich von Anfang an immer war. Videospiele sind immer noch eine nette Abwechslung, aber jetzt ist es an der Zeit, zu leben.
Monica ist eine selbsternannte „translesbische Prinzessin“, die in Jacksonville, Florida, lebt und sich noch in der Anfangsphase ihrer Geschlechtsumwandlung befindet. Sie unterrichtet Englisch für College-Neulinge und hat ihren Action-Comedy-Vampirroman „Blood on Fire“ im Selbstverlag veröffentlicht, der aus ihrer Abneigung gegen alles, was mit Twilight zu tun hat, entstanden ist. Sie ist außerdem eine Videospiel-Fanatikerin und besitzt eine Vielzahl von Systemen, von klassisch bis modern.
Besonderer Hinweis: Die persönlichen Essays von Autostraddle in der „Ich-Form“ spiegeln nicht unbedingt die Ideale von Autostraddle oder seinen Herausgebern wider, und keiner der in der „Ich-Form“ schreibenden Autoren beabsichtige, im Namen anderer als sich selbst zu sprechen. Die in der „Ich-Form“ schreibenden Autoren sprechen einfach ehrlich und aus tiefstem Herzen.
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